Zum Beispiel : Drei Projekte

Numéro 17 – Mars 2008

Simultanes Heim- und Fernweh »

Eine musikalische Invasion vom Lande

Eine Sammlung alter Schellack-Platten mit Appenzeller Volksmusik auf einem Estrich inspirierte den Bassisten Patrick Kessler und den Cellisten Stefan Baumann zu einem ureigenen Zugang zu traditionellen musikalischen Formen wie Walzer, Polka, Schottisch oder Mazurka.

Bereits mit ihrer Band Import-Export mischten sie bosnische Underground- Zigeunermusik mit heimischen Klängen zu « Balkan-Electronics » und experimentierten mit verschiedenen Formationen.

Zurzeit importieren sie ihre Ideen wieder aus dem Appenzellischen, und die Besetzung Kontrabass, Videobass, Cello, Akkordeon, Drums und DJ lässt eine unkonventionelle « Stobete » erahnen.

Es gehe nicht darum, den perfekten, in sich geschlossenen traditionellen Stücken « Birre, Wegge, Chäs und Brot » oder einem « Zäuerli », dem typischen halbimprovisierten Jodel, einfach einen Beat zu unterlegen. « Wir wollen, inspiriert von der traditionellen Musik, etwas Eigenes machen. Es ist mehr eine Hommage als eine Neuerfindung » betont Patrick Kessler. Für 2009 planen die beiden Musiker unter dem Namen Ballroom eine Tournee durch die ganze Schweiz, zusammen mit einem original Appenzeller Tanzboden, der Band Import-Export und weiss verpackten Heusiloballen, welche als Bühnenbild und Projektionsfläche für bewegte Im­pressionen ruraler Idyllen dienen sollen. Die visuelle Performance steuert das fribourgische KünstlerInnenduo [a n y m a], unter anderem mit einem selbst entwickelten « Videobass », auf dem das Duo Bilder live bearbeitet.

Die plastikumwickelten Heuballen, « die Symbole der technisierten Landwirt­schaft », haben es den Initianten angetan. Das Spiel mit Natur und Technik, Stadt und Land, Tra­dition und Innovation treibt Ball­room konsequent auf die Spitze: Aus Sprühdüsen strömt Heuduft als ländlicher Hauch durch den stroboskopisch durchzuckten Raum. An der Bar werden Naturprodukte bereitstehen.

Ihre Ideen können Patrick Kessler und Stefan Baumann dank der « sehr grosszügigen Unterstützung » des Lotteriefonds umsetzen. Als Nächstes geht Import-Export ins Studio, um die neualten Töne und Bilder professionell zu bearbeiten und aufzuzeichnen. Und dann werden die Musiker bereit sein für die « Stobeten-Tournee » in urbane Randzonen.


Gründerzeit 2004

Die Zürcher Filmstiftung

Was haben populäre Filme wie « Vitus », « Die Herbstzeitlosen » oder der polarisierende « Sieben Mulden und eine Leiche » gemeinsam? Sie alle wurden durch die Zürcher Filmstiftung unterstützt und mitermöglicht.

Die im November 2004 nach einer erfolg­­reichen Volksabstimmung über die Erhö­hung des Filmkredites in der Stadt Zürich gegründete Stiftung dient als Modell für die Filmförderung in der ganzen Schweiz. Neben dem Bund und dem Schweizer Fern­sehen ist die kantonale Filmstiftung die drittgrösste nationale Förderungsinstanz im Filmbereich. Sie unter­stützt jährlich etwa 80 Filmprojekte in den Kategorien Entwicklung, Weiter­entwicklung und Pro­duktion mit einer Ge­samtsumme von 8 bis 9 Millionen Franken.

Nicht nur das überzeugende jahrelange Engagement des Vereins (Zürich für den Film) bereitete der Stiftung das Terrain, sondern auch das wachsende politi­sche Bewusstsein, dass Kultur einen wesent­lichen Beitrag zur wirtschaftlichen Dyna­mik und zur Attraktivität der Region Zü­rich leistet.

Möglich wurde der markante Ausbau der Filmförderung durch ein einmaliges Startkapital von 20 Millionen aus dem Zürcher Lotteriefonds.

Die Zürcher Filmstiftung versteht sich als Ermöglicherin individueller Kreativi­tät. Die Transparenz ihrer Entscheide und das Engagement der Träger verleihen der Stiftung kulturpolitisches Profil und Selbstbewusstsein. Dieses lässt sie zuweilen auch bewusst Risiken eingehen und gegen die nivellierende KonsensundKompromisskultur antreten. Bei der Beur­teilung der Projekte vertraut die Stift­­ung auf die Gewissen­haftigkeit, die Sensibi­lität und Kompetenz ihrer zwei je fünf­köpfigen Kommissionen in den Sparten Fiction und Nonfiction. Von Pu­blikums- und Marktanalysen oder von einem Intendanten-Modell hält der Geschäfts­führer Daniel Waser wenig. « Wir wollen einen Nähr­boden schaffen, auf dem möglichst Viel­­fältiges wachsen kann und nicht mit dem Druck­schlauch zar­te Pflänz­chen weg­blasen. Inso­fern be­kennen wir uns zum Giesskannen-Prinzip. » Die Gründ­ung der Stiftung in Zeiten strenger Spar­kurse war ein kleines Wunder, das ohne Kapital aus dem Zürcher Lot­teriefonds nie zustande ge­kommen wäre.


Ein fragil-poetisches Spektakel

Das Theaterfestival « Erlach lacht »

Seit 1999 veranstalten die Theater­s­chaffenden Susanna Hug und ihr Lebens­partner Bernd Somalvico alle zwei Jahre das Theaterfestival « Erlach lacht ». Jeweils Mitte Juli laden die beiden währ­end vier Tagen Klein- und Strassenthea­ter-Gruppen nach Erlach am Bielersee ein und versetzen das idyllische Städtchen in einen kreativen Ausnahmezustand: Pantomimen, Puppen, Akrobaten und Clowns beleben die Bucht « Mon Plaisir » und die umliegenden Strassen, aber auch im Theaterwagen und einem kleinen Zelt wird gespielt.

Überschaubar und familiär ist das Festival, das 2007 immerhin von 3000 Leuten be­sucht wurde. Grösser soll es auch in Zu­kunft nicht werden: « Unser Publikum soll nahe an der Bühne sein, den Atem und den Schweiss der Auftretenden spüren », meint Susanna Hug. Die Mitbegründerin hat ihre Wurzeln im Clown- und im Improvisationstheater und lädt mit Vor­liebe Truppen ein, die im Grenzbereich von Lachen und Weinen, Tragik und Ko­mik agieren. Philosophischer Hintersinn, Wort­akrobatik, skurrile Requisiten undinnovatives Puppentheater, kurz Dar­bietungen zum Lachen und Schmunzeln, die nicht auf banales Schenkelklopfen schielen, lassen ihr Herz höher schlagen. Das « absurd fragil-poetische Spektakel », wie sie es nennt, war einst ein Traum des Orga­­nisatoren­paars. Dank vielfältiger Hilfe konnte er Wirklichkeit werden. Das Festival ist stark in der Region verwurzelt und wird von einem Förderverein getragen. Die Gemeinde, Ge­werbe­treibende, das Engagement unzähliger Freiwilliger und nicht zuletzt der Kanton mit einem Beitrag aus dem Lotteriefonds, ermöglichen das Festival. Zum Projektstart sei eine kleine Unterstützung vom Lotterie­fonds schnell geflossen, erzählt Susanna Hug, bei den wiederkehrenden Beiträgen sei das schwieriger. Der Kanton schliesst die Förderung von publikumswirksamen Sparten explizit aus, da sei in den Ge­suchen viel Überzeugungsarbeit nötig. Diese war 2007 erfolgreich, zum Glück, denn ohne das Festival, ohne den kanto­n­alen Lotterie­fonds gäbe es in Erlach weniger zu lachen.