Was auf dem Spiel steht
Die Lotteriegesellschaften Swisslos und Loterie Romande, die im Auftrag der Kantone die Lotterien durchführen, werden von verschiedenen Seiten hart bedrängt. Die Initiative « Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls » ist der Versuch, das Lotteriewesen, so wie es heute geregelt ist, in der Verfassung festzuschreiben. Damit sollen die Erträge für Kultur und Sport gesichert werden.
Die Landeslotterie sei ein Segen, sagt der Bündner Regierungsrat Claudio Lardi in unserem Interview. Seine Meinung deckt sich mit jener der Regierungsräte, die in der ganzen Schweiz für Kultur und Sport verantwortlich sind. Dank der Gelder aus dem Lotterie- und dem Sportfonds können Kultur, Sport und Soziales jedes Jahr mit mehr als einer halben Milliarde Franken unterstützt werden. Davon profitieren Tausende von Veranstaltungen, kulturellen Institutionen, Sportvereinen, Sportlern und Kulturschaffenden im ganzen Land.
Dieser Geldsegen weckt aber auch Begehrlichkeiten von verschiedenen Seiten. So möchte sich der Bund gerne ein grösseres Stück von den Einnahmen aus den Geldspielen abschneiden, grosse Organisationen, vor allem im Humanitären- und im Umweltschutzbereich, möchten am liebsten selber Lotterien veranstalten, und private internationale Firmen drängen auf eine Liberalisierung des Lotteriewesens, um auch in der Schweiz Geschäfte machen zu können. Bereits Realität ist die Konkurrenz von Geldspielen im Internet, die bislang kaum kontrolliert und bekämpft wird.
Wenn der Bund erst einmal die Hoheit über das Lotteriewesen hat, wird er auch versuchen, die so generierten Gelder in die eigene Kasse umzuleiten.
Bund und Kantone kämpfen um Kompetenzen
Die zentrale Auseinandersetzung ist jedoch im Moment jene zwischen dem Bund und den Kantonen. Der Bund versucht auf verschiedenen Ebenen, die Kompetenzen der Kantone im Lotteriewesen zu beschneiden oder ihnen diese ganz zu entreissen. So sah die Revision des Lotteriegesetzes die Möglichkeit vor, den Kantonen die Kompetenz zur Bewilligung von Grosslotterien zu entziehen und diese beim Bund zu zentralisieren. Nachdem der Entwurf von verschiedenen Seiten scharf kritisiert worden war, hat der Bundesrat die Gesetzesrevision 2004 sistiert, und die Kantone haben die Lotterieordnung in einem Konkordat neu geregelt. Doch das Ringen geht weiter, die Revision des rund 80-jährigen « Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und gewerbsmässigen Wetten » ist nicht endgültig vom Tisch. Wenn der Bund erst einmal die Hoheit über das Lotteriewesen hat, wird er auch versuchen, die so generierten Gelder in die eigene Kasse umzuleiten, etwa indem sie für die AHV eingesetzt werden wie die Abgaben der Casinos. Die Kantone, und damit Kultur und Sport, würden dann leer ausgehen.
Um zu dokumentieren, dass das Lotteriege-setz nicht mehr tauglich ist und der Bund im Lotteriebereich mehr Kompetenzen erhalten müsste, führen einzelne Instanzen des Bundes, wie das Bundesamt für Justiz (BJ) und die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK), einen eigentlichen Kleinkrieg gegen Swisslos, Interkantonale Landeslotterie und die Loterie Romande. Die Bundesbehörden versuchen, die Lancierung neuer Produkte und Absatzformen der Lotteriegesellschaften zu unterbinden und bedrohen so deren wirtschaftliche Zukunft. Das wichtigste Beispiel ist das Verbot der bisher nur in der Westschweiz eingesetzten Tactilo-Geräte, mit denen elektronische Rubbellose verkauft werden, durch die ESBK. Die ESBK stellt sich auf den Standpunkt, bei den über die Tactilo-Geräte verkauften Losen handle es sich nicht um eine Lotterie, sondern um Glücksspielautomaten. Deshalb dürften diese Geräte nicht in Cafés oder Restaurants aufgestellt werden, sondern nur in Casinos. Die Loterie Romande hat gegen diesen Entscheid rekurriert. Der Prozess ist im Moment vor Bundesverwaltungsgericht hängig und dürfte schlussendlich vom Bundesgericht entschieden werden. Für die Loterie Romande geht es um viel Geld: die Tactilos spielen mehr als ein Drittel des jährlichen Gewinns von 180 Millionen Franken ein. In der Deutschschweiz gab es ebenfalls ein Projekt für ein ähnliches Gerät, das wegen des Rechtsstreits auf Eis gelegt wurde. « Das Gerät dürfte inzwischen veraltet sein », erklärt Swisslos-Direktor Roger Fasnacht und kritisiert, die unnötige Auseinandersetzung um den Tactilo führe dazu, dass der Handlungsspielraum bei der Produktentwicklung unklar und eingeschränkt sei.
In allen westeuropäischen Ländern werden die Gewinne aus den Lotterien und den Sportwetten in erster Linie für das Gemeinwohl und den Sport eingesetzt.
Sowohl Swisslos wie auch die Loterie Romande gehen davon aus, dass der Tactilo-Prozess gewonnen werden kann. Die ständige Obstruktion durch den Bund macht den Lotterien aber zu schaffen. Swisslos-Direktor Fasnacht spricht Klartext: « Wenn jede Modernisierung von Lotterieprodukten Gegenstand von Attacken von Bundesinstanzen gegen kantonale Bewilligungs- und Aufsichtsbehörden wird, werden die Lotterien in ihrer Existenz bedroht. » Denn sie sind dringend darauf angewiesen, ihr Angebot zu modernisieren, um sich veränderten Kundenbedürfnissen anzupassen und der internationalen Konkurrenz, vor allem auf dem Internet, Paroli bieten zu können.
Private möchten Kasse machen
Während Bundesinstanzen auf der einen Seite die Modernisierung der Lotterieangebote behindern, versuchen auf der anderen Seite private Firmen und die dahinter stehenden privaten Investoren, die Lotterie- und Sportwettenregulierung in der EU und in der Schweiz zu verändern. In allen westeuropäischen Ländern werden die Gewinne aus den Lotterien und den Sportwetten in erster Linie für das Gemeinwohl und den Sport eingesetzt. Dabei geht es um Milliardenbeträge, deshalb erstaunt es nicht, dass sich private Investoren und Investmentbanker diese lukrative Einnahmequelle erschliessen möchten.
Die Verlagerung der Kompetenzen von den Kantonen zum Bund wäre der erste Schritt zu einer Liberalisierung des Lotteriewesens. Eine Liberalisierung hätte zur Folge, dass die Einnahmen von Swisslos und Loterie Romande zurückgehen würden. Einerseits, weil ein Teil des Gewinns an private Anbieter abfliessen würde, andererseits, weil wegen der Konkurrenz ein grösserer Anteil der Spieleinsätze für Marketing und höhere Gewinnausschüttungen eingesetzt werden müsste.
Welch verheerende und für einzelne Anbieter ruinöse Dimensionen der Konkurrenzkampf annehmen könnte, hat man in der Schweiz in den 1920er-Jahren bereits einmal erlebt, als das nicht regulierte Lotteriewesen ausser Kontrolle geriet. Auf den Wildwuchs hat man damals mit dem heute noch gültigen Lotteriegesetz reagiert, das den Kantonen dieKompetenz für die Veranstaltung von Lotterien zuschreibt und bestimmt, dass die Gewinne für wohltätige oder gemeinnützige Zwecke verwendet werden müssen. Auchdieser Grundsatz wäre bei einer Liberalisierung in Gefahr. Statt für das Gemeinwohl eingesetzt zu werden, würde zumindest ein Teil der Gewinne privatisiert. Dagegen wendet sich die Initiative, indem sie den Grundsatz, in der Verfassung festschreiben, die vom Bund und den Kantonen bewilligten Geldspiele muessten dem Gemeinwohl dienen.
Mit der Initiative lassen sich nicht alle diese Probleme auf einmal lösen. Aber ein klares Bekenntnis des Volkes zur bestehenden Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen – der Bund ist für die Casinos zuständig, die Kantone für die Lotterien – und zum Grundsatz, dass die Gewinne aus den Geldspielen dem Gemeinwohl dienen müssen, wäre ein starkes politisches Zeichen gegen die Liberalisierung und Privatisierung der Lottogewinne. Ein solches Zeichenbraucht es heute, damit die Lotteriegelder auch künftig für Kultur und Sport eingesetzt werden können.